Freiherr von Abschatz
1646 – 1699 Die
Fluten, die du siehst von meinen Augen rinnen,
Lieb-werthe Rosilis, sind nicht gemeine Thränen,
Wie deine Göttligkeit wohl
irgend möchte wehnen!
Wo wolt ich solche Ström und
Bäche fassen künnen?
Sie werden ausgebrennt
vermittelst meiner Sinnen
Von Liljen deiner Schos, von
Rosen deiner Wangen,
Und müssen den Geruch von
deiner Gunst erlangen,
Dem keine Specerey den Preiß
wird abgewinnen.
Die Liebe giebt die Glutt, der
Ofen steht im Hertzen,
Der dicken Seufftzer Wind bläst
mir das Feuer auff,
Der Augen Helm vergönnt dem
Wasser freyen Lauff,
Und weil so hitzig ist die
Flamme meiner Schmertzen,
So müssen in die Höh so viel
der Dünste steigen,
Und durch der Augen Röhr ohn
Ende sich verseygen.
Freiherr von Abschatz
1646 – 1699 Giebt
das Verhängnis uns denn keine Zeit zu letzen?
Geht also
schleunig fort der Reise fester Schluß,
Daß meinem Munde kaum verlaubt den letzten Kuß
In das Corallne Paar der Lippen
einzuätzen?
O Wort, wie Diamant und harter
Stahl zu schätzen,
Daß Hoffnung und Gedult allein
erweichen muß!
Doch bringt das Scheiden izt
dem Herzen viel Verdruß,
So wird das Wiedersehn uns
desto mehr ergötzen.
Indessen lebet wohl, ihr
treu-geliebten Sinnen!
Es müsse Glück und Zeit zu
euren Diensten stehn,
Es müß euch zu der Hand Lufft,
Erd und Himmel gehn,
Biß wir uns wiederum mit Freud
umfassen künnen.
Schliest eurem Hertzen ein, wie
ich, ein Füncklein Liebe,
So bleibet unsre Glut verwahrt
für Zeit und Diebe.
1646 – 1699 Ich kam
den andern Tag zur Rosilis gegangen/
Als sie
zum Morgen noch unangeleget war.
Sie stellte die Auror in eignem
Bilde dar/
Wenn sie der frühen Welt zeigt
ihre Rosen-Wangen.
Die Augen/ welche fast der
Schlaf noch hielt umfangen/
Verglichen sich der erst entwichnen
Sternen-Schaar/
Ihr über Stirne/ Wang und Hals
gestreutes Haar
Dem Netze/ welches uns die
theuren Würme langen.
Der weißen Hände Schnee schien
heller denn der Tag/
Der angebohrne Schmuck/ die
lieblichen Geberden
Beschämten was der Fleiß/ die
kluge Kunst vermag.
Giebt Rosilis/ mein Liecht/ zum
Morgen solchen Schein/
Wie soll mein Hertze nicht zu
lauter Flamme werden/
Wenn sie wird angelegt in
vollem Mittag seyn!
1646 – 1699 Indem
du gehest nach durch Feld und Wald den Thieren/
Schau ich/ ob ich ein Wild der
Venus fangen kan.
Du redest offt was stumm/ und
ich was taub ist/ an/
Du läst die Grausamkeit/ ich
kühne Freyheit spüren.
Du läst dich einen Hirsch durch
Berg und Thäler führen/
Mich bringt ein schönes Bild
auff unbekannte Bahn.
Du setzest Strick und Netz/ ich
Wort und Reden dran/
Wie müssen beyderseits offt Müh
und Zeit verlieren.
Wir fragen beyde nichts nach
Regen oder Wind/
Und wie dich offtermahls die
falsche Spur betriegt/
So werd in eitler Furcht und
Hoffnung ich gewiegt.
Nur diß ist noch/ in dem wir
unterschieden sind:
Du hast der Mühe Lohn zuweilen
schon empfangen/
Mir aber ist bißher kein Wild
noch eingegangen.